Eine Hand fährt durch ein goldenes
Herbstfeld. Ein Mann riecht an einer Ähre. Die Verbundenheit der Menschen zur
Natur bekommt in den ersten Szenen von Athina Rachel Tsangaris “Harvest” eine
haptische Qualität. Doch diese intensive Harmonie wird sich im Verlauf des
Films ändern, zerfallen und nur noch Zerstörung und Gewalt zurücklassen. „Harvest”
ist Tsangaris Rückkehr zum Kinospielfilm und die Verfilmung des gleichnamigen,
für den Booker-Preis nominierten, Romans des britischen Schriftstellers Jim
Crace. Die komplexe Erzählung über eine ländliche Gemeinschaft, die an der
Schwelle zu einem wirtschaftlichen Umbruch steht, spielt in einem nicht näher
definierten historischen Kontext und stellt die Dynamiken der Bauern und der
herrschenden patriarchalen Strukturen in den Mittelpunkt. Ein mysteriöser Brand
im Dorf entfacht Zwietracht und Misstrauen unter den Bauern. Doch dies ist erst
der Beginn des Zerfalls der Dorfgemeinschaft. Denn der Herr des Anwesens,
Master Kent (Harry Melling), versucht, die Traditionen seiner verstorbenen Frau
fortzusetzen, die eine gerechtere Nutzung des Landes propagierte. Doch als ein
anderer Verwandter Anspruch auf das Land erhebt und versucht, mehr Profit aus
der Arbeit der Dorfbewohner zu ziehen, eskaliert die Lage.
Die griechische Regisseurin Tsangari macht aus „Harvest” einen bitter-gewitzten Kommentar über Klassenkonflikte und das unbarmherzige Streben nach individuellem Besitz in einer Zeit des wirtschaftlichen Wandels. Dabei entstehen immer wieder bewusst gesetzte Seitenhiebe auf unsere Gegenwart. Das Ergebnis ist ein eindringliches, atmosphärisches Werk, das seine Weltpremiere dieses Jahr im Wettbewerb der Filmfestspiele von Venedig feierte.
Festivals u.a. in Venedig, Toronto, New York, Busan und London.