Die ungefähr 60jährige Cornelia ist ein monströses Muttertier. Als ihr Sohn ein Kind tot fährt, unternimmt sie alles, um ihn vor dem Gefängnis zu bewahren, droht den Beamten mit ihren Beziehungen nach oben und schreckt vor Bestechung nicht zurück. Sie bestimmt die Spielregeln, bis sich der Filius ihrer erdrückenden Liebe entzieht. Erst sehr spät realisiert die Oberschichts-Lady, dass nicht jeder zu kaufen ist und empfindet beim Besuch der in Armut lebenden Eltern des gestorbenen Jungen einen Hauch von Mitgefühl.
Das Verhältnis zwischen Cornelia und ihrem erwachsenen Sohn Barbu ist extrem gestört. Verzweifelt versucht sich der Sohn der erdrückenden Fürsorge seiner Mutter zu entziehen und erscheint nicht einmal auf deren Geburtstagsfeier. Als Barbu jedoch einen Verkehrsunfall verursacht, bei dem ein kleiner Junge stirbt, scheint er wieder auf seine Mutter angewiesen zu sein. Cornelia setzt alle Hebel in Bewegung, um ihr einziges Kind vor dem Gefängnis zu bewahren. Das rumänische Familiendrama überzeugt durch seine dichte Inszenierung, seinen psychologischen Realismus und die hervorragenden Schauspieler. Vor allem Luminita Gheorghiu liefert eine überwältigende Darstellung als übergroße Mutterfigur, die nichts unversucht lässt, um ihren Sohn vor den Konsequenzen seiner Tat zu schützen. Doch Calin Peter Netzer thematisiert hier nicht nur den innerfamiliären Mutter-Sohn-Konflikt, sondern wirft auch einen kritischen Blick auf die gesellschaftlichen Zustände im heutigen Rumänien. Und obwohl MUTTER & SOHN keine durchgängig positive Identifikationsfigur,anbietet, gelingt dem Gewinner der Berlinale 2013 doch das Kunststück sein Publikum zu fesseln und zu berühren. Ein Glanzpunkt des europäischen Kinos.